15 Shades of Gras - Gräservielfalt auf extensiv bewirtschafteten Weiden

Wenn der Wind über die weiten Grasflächen in Möns (LK Wittmund) streicht, erzeugt er ein wogendes Meer schimmernder Grüntöne. Corinna Pyrlik ist seit letztem Jahr immer mal wieder bis zu acht Stunden am Tag auf den Flächen der Naturschutzstiftung Friesland-Wittmund-Wilhelmshaven inmitten der Felder unterwegs und führt Kartierungen der dort lebenden Brutvögel, der Vegetation sowie der Biotoptypen für ihre Masterarbeit durch, die sie im Rahmen des Internationalen Studiengangs Technische und Angewandte Biologie der Hochschule Bremen erarbeitet.

In den Frühlings- und Sommermonaten startet der Tag für sie gerne mal um drei Uhr morgens, um vor Sonnenaufgang vor Ort zu sein. Denn die meisten Vögel sind Frühaufsteher. Die Stunden der Dämmerung haben dabei ihren ganz eigenen Reiz, wie Pyrlik weiß: „Bei Sonnenaufgang ist es derzeit so richtig laut. Die Vögel singen aus voller Kehle. Mittags wird es dann ziemlich still und zur Abenddämmerung singen dann noch der Feldschwirl, einige Grasmückenarten (das sind auch Vögel, übrigens) und die Wachtel. Aber diese Gesänge sind atmosphärisch ganz anders als die Morgenlieder, sehr viel melancholischer und irgendwie müder. Der Tag neigt sich eben dem Ende zu. Dazu dieses weiche, schöne Licht; traumhaft!“ An einem der ersten Morgen bekam sie allerdings einen Riesenschreck: „Ich stieg vor Sonnenaufgang in der Dunkelheit, noch ein wenig müde, aus dem Auto, war aber Sekunden später schockwach: Da schrie mich ein Tier mit tiefem, brüllendem Röhren an. Es war ein junger Rehbock, wie ich ein wenig später beruhigt feststellen konnte! Nie hätte ich gedacht, dass die einen solchen Lärm machen können. Der ist inzwischen fast jeden Morgen mein persönlicher Muntermacher.“

Seit 2006 wurde das Gebiet als Kompensationsfläche an die Naturschutzstiftung übertragen. Seitdem wird ein großer Teil der Flächen extensiv bewirtschaftet. Auf anderen Teilen der Flächen findet eine sogenannte Sukzession statt: Hier darf sich die Fläche ohne Eingriffe entwickeln. „Das ist eine richtige Insel für Vögel und Säugetiere geworden. Rehe und Hasen ziehen sich hierher zurück, gerade wenn auf den umliegenden Flächen gemäht oder Ackerbau betrieben wird. Auch für die Brut einiger Vögel stellt die Fläche einen wunderbaren Bezugsort dar“, freut sich Pyrlik.

Das ist vor allem daran zu erkennen, dass sich der Brutvogelbestand im Gebiet positiv entwickelt hat. Besonders der Wiesenpieper und verschiedene Grasmückenarten haben sich gut einnisten können. „Interessant ist auch, dass viele Arten ihrem Revier über die Jahre hinweg treu geblieben sind. Teilweise wird in demselben Gebüsch seit Jahren hinweg erfolgreich gebrütet. Manche Vögel haben also durchaus ihr Heimatgebüsch. Sie kommen jedes Frühjahr wieder, auch wenn sie im Winter in wärmere Gefilde ziehen. Besonders eindrucksvoll erschien der Neuntöter, der seine Beute unter anderem auf Stacheldraht aufspießt – für schlechte Zeiten. „Der Neuntöter ist echt abgefahren und sieht auch krass aus“, meint Pyrlik und lacht.

Bereits in den Jahren 2009, 2012 und 2013 wurde die circa 30 Hektar große Fläche vom Biologen Dr. Tim Roßkamp im Auftrag der Naturschutzstiftung kartiert. Neben der Aufnahme von Brutvögeln während dieser Jahre wurden außerdem Dauerbeobachtungsflächen mittels Magneten im Boden markiert, so dass bei neuen Kartierungen genau festgestellt werden kann, wie sich die Vegetation im jeweiligen Bereich verändert. Pyrlik kann mittels eines Magnetsuchgeräts die Markierungen finden und neue Daten aufnehmen. Insgesamt konnten bislang 15 verschiedene Grasarten dokumentiert werden. So sind dort unter anderem Wolliges Honiggras, Gewöhnliches Ruchgras, Weiche Trespe sowie verschiedene Schwingel- und Straußgrasarten anzutreffen. Wer die Geheimnisse der Wiesen lesen kann, kennt keine Langeweile in der Fülle der Grüntöne.

 

 

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